Hallo Herr Prinz, was genau bedeutet der Begriff „Funktionsdiagnostik“?
Die zahnärztliche Funktionsdiagnostik ist ein wissenschaftlich anerkanntes Verfahren, mit dem der Funktionszustand des Kauorgans erfasst wird. Bei der Funktionsdiagnostik findet ein ausführliches Aufnahmegespräch in Verbindung mit einer sogenannten „klinischen Funktionsanalyse“ (ZFA/ ZKB) statt, die ohne aufwendige technische Instrumente durchgeführt wird. Hierbei werden zunächst die Ausprägung und der Umfang der Funktionsstörung ermittelt. Bestehende Vorerkrankungen oder bereits erfolgte Behandlungen fließen dabei mit in die Beurteilung ein. Die Funktionen des Kausystems sind eng mit Kopf, Hals, Wirbelsäule und weiteren Organe verbunden, weswegen im Rahmen der Untersuchung (Palpation/MFA) auch die beteiligten Muskeln, Sehnen und Bänder betrachtet werden. Des Weiteren wird die Beweglichkeit des Unterkiefers in allen Ebenen und Richtungen beurteilt, bei Bedarf werden dabei auch bildgebende Verfahren (z.B. MRT) eingesetzt. Ziel der klinischen Funktionsdiagnostik ist die Erstellung einer detaillierten Beurteilung über den Funktionsstand des Kauorgans. Je nach Ergebnis kann eine anschließende sogenannte „instrumentelle Funktionsdiagnostik (IFA)“ notwendig werden.
Was genau ist eine „instrumentelle Funktionsdiagnostik“ (IFA)?
Eine instrumentelle Funktionsdiagnostik kann, je nach Diagnose aufgrund der Voruntersuchung notwendig werden. Mit Hilfe verschiedener zur Verfügung stehender „Instrumente“ werden Patienten-individuelle Werte und Positionen vermessen. Ziel ist die modellhafte Darstellung der Patientensituation in einem Kau-Simulator, dem sogenannten Artikulator. Diese kann dann zur Planung der weiteren Behandlung oder auch als Basis einer Schienentherapie genutzt werden.
Häufig hört man im Zusammenhang mit Funktionsdiagnostik den Begriff „CMD.“ Was verbirgt sich hinter dieser Abkürzung?
CMD bedeutet CranioMandibuläre Dysfunktion und ist ein Überbegriff für strukturelle, funktionelle, biochemische und psychische Fehlregulationen der Muskel- oder Gelenkfunktionen der Kiefergelenke. Diese sind oftmals schmerzhaft und können sich in Form von Schwindelgefühlen, Kopf-/Rücken- und/oder Nackenschmerzen, Panikattacken oder auch Ohrgeräuschen bemerkbar machen. Leitsymptome der CMD sind Schmerzen und Funktionseinschränkungen des Kauorgans. Die Schmerzen treten dabei häufig in der Kaumuskulatur, im Bereich der Ohren und/oder des Kiefergelenks auf. Die Funktionseinschränkungen zeigen sich in Einschränkungen und Asymmetrien der Unterkieferbewegung sowie durch Kiefergelenkgeräusche wie Knacken und/oder Reiben. Begleitend können auch Zahnschmerzen oder Kopf-/und Gesichtsschmerzen auftreten. Die „CMD“ selbst ist eher als ein Befund zu betrachten und sollte in einer konkreten Diagnose weiter definiert werden. Aufgrund der Komplexität einer CMD ist als Behandlung eine „Multidisziplinäre-Therapie“ zu empfehlen. Dies bedeutet, dass eine Vielzahl von Möglichkeiten existiert, eine CMD zu behandeln (je nach individuellen Beschwerden), und manchmal auch einzelne Therapien kombiniert werden. Der Zahnarzt befindet sich dabei in der Rolle des Koordinators.
Im Internet findet man den sogenannten CMD-Selbsttest, der Ausschluss über eine Funktionseinschränkung liefern soll. Wie hilfreich ist so ein Test?
Die im Internet veröffentlichten CMD-Selbsttests sind zum Teil sehr unterschiedlich. Meiner Einschätzung nach kann ein Selbsttest immer nur einen Hinweis leisten und sollte nicht überbewertet werden. Als Empfehlung nenne ich gerne den Selbsttest der DGFDT, der zahnärztlichen Fachgesellschaft für Funktionsdiagnostik und Therapie. Grundsätzlich sollte man als Patient seinem Zahnarzt über alle Beschwerden informieren, nur dann kann dieser Einfluss darauf nehmen.
Wie verläuft der Behandlungsprozess einer CMD?
Die Dauer einer Behandlung hängt von der gestellten Diagnose und der dadurch gewählten Therapie ab. In einer akuten Phase können Medikamente oder auch physiotherapeutische Maßnahmen oft sehr gute Hilfe leisten. Schmerzhafte Erkrankungen der Kaumuskulatur und/oder des Kiefergelenkes werden beispielsweise häufig durch kälte- oder wärmetherapeutische Maßnahmen erfolgreich behandelt. Außerdem sind Schienen ein wirkungsvolles Mittel zur Behandlung von CMD: Ihre Gestaltung kann je nach benötigtem Einsatz sehr unterschiedlich sein, weswegen sie in unterschiedlichen Phasen der Behandlung eingesetzt werden. Abschließend können auch Maßnahmen wie die Erstellung von Zahnersatz oder mund-/kiefer-/gesichtschirurgische Eingriffe notwendig werden.
Werden die Kosten von der Krankenkasse übernommen?
Bei Privatversicherten richtet sich die Erstattung von Kosten der funktionsdiagnostischen Maßnahmen nach dem gewählten Tarif – unter Umständen kann dies auch für private Zusatzversicherungen gelten. Voraussetzung für einen Leistungsanspruch ist der Nachweis für die medizinische Notwendigkeit dieser Maßnahme. Bei gesetzlich versicherten Patienten sieht das anders aus. Diese Leistungen sind im Katalog der gesetzlichen Krankenversicherung nicht enthalten und werden deswegen auch nicht übernommen.
Herr Prinz, vielen Dank für das informative Gespräch.